Herausfinden, was ich will: Lernbar

Was will ich? Diese Frage stellt sich oft. Täglich. Meist entscheiden wir irgendwie, ohne dass wir wissen, weshalb wir uns nun gerade so entschieden haben. Vielleicht hatten wir gerade dazu Lust und haben uns deshalb dafür entschieden. Oder wir hatten gerade keine und haben es deshalb gelassen. Oder wir haben dem sog. Bauchgefühl vertraut. Manchmal entscheiden wir rational, nachdem wir alles mögliche abwogen haben.

Jeder hat bestimmt schon oft bemerkt, dass wir hinterher feststellen, dass es doch nicht das war, was wir eigentlich wollten. Und das, obwohl wir bei der Entscheidung felsenfest davon überzeugt waren, dass es eine gute Entscheidung ist. So ist das eben oft mit unseren felsenfesten Überzeugungen und Konstrukten. Die Frage „Was will ich?“ lässt sich also scheinbar sehr schnell beantworten. Die ernsthafte Frage „Was will ich denn wirklich?“ ist da schon viel schwieriger.

Kann ich mich auf mein Gefühl verlassen? Oder doch lieber auf den Kopf? Und was, wenn das eine dem anderen widerspricht? Jetzt ist die Frage: Woran merke ich denn eigentlich, dass ich etwas wirklich will bzw. dass ich etwas eigentlich nicht will? Gibt es so ein Kriterium überhaupt? Ich würde sagen, ja.

In meiner langjährigen psychotherapeutischen Arbeit habe ich herausgefunden, dass Menschen, die von Entscheidungen sprechen, die für sie wirklich „rund“ sind, ausnahmslos ein ganz bestimmtes, klar beschreibbares Gefühl schildern, das sich von vielen anderen existierenden Gefühlen klar unterscheiden lässt. Und das gilt es herauszufinden.

Nun sind wir durch die Kultur, in der wir leben, und durch die Bildung, die wir alle durchlaufen haben, erst einmal nicht gerade gesegnet mit der Fähigkeit, Gefühle wahrzunehmen. Wenn jemand z.B. sagt „Ich habe das Gefühl, dass…“ dann spricht er meistens gar kein Gefühl aus, sondern einen abstrakten Gedankengang.

Aber was ist denn eigentlich ein Gefühl? Gefühle nimmt man, würde ich sagen, ausnahmslos immer am eigenen Körper wahr. Man erinnere sich mal der Redewendungen, die ein Gefühl beschreiben. Sie schildern einen körperlichen Vorgang: Ich hab so einen Hals. Der kriegt kalte Füße. Da geht einem ja das Herz auf.

Was also geschult werden muss, ist die Körperwahrnehmung. Sonst kommt man nie im Leben an seine Gefühle heran. Und wenn man gelernt hat, seine Gefühle wahrzunehmen, was nicht so schwierig ist, allerdings stetiges Üben erfordert, ist der nächste Schritt, eben dieses eine ausschlaggebende Gefühl herauszufinden.

Was einem Herausfinden des wahren Willens ebenfalls hinderlich ist, ist unser abstraktes Denken – ebenfalls ein Produkt unserer Kultur und Bildung. Ein abstrakter Gedanke wie etwa „Rauchen ist ungesund“ ist völlig außer Stande auch nur das geringste Gefühl in uns wachzurufen. Dass Ärzte angeblich mehr rauchen als die restliche Bevölkerung spricht hier Bände!

Welche Gedanken können denn Gefühle wachrufen? Vorgestellte Bilder – und zwar möglichtst farbig, lebensvoll und realistisch. Stellen Sie sich einmal ganz intensiv vor, eine Zigarette zu rauchen. Ich wette, dass Sie dann im irgendwo in Ihrem Körper etwas angenehmes oder unangenehmes spüren! Was also ebenfalls geschult werden muss, ist die Vorstellungskraft oder die Imaginationsfähigkeit.

Imaginationen werden leider meistens nur benutzt, um sich zu entspannen. Dazu stellt man sich dann irgendetwas Schönes und oft Unrealistisches vor, um sich mal ein paar angenehme Minuten gegen all den Alltagsstress zu verschaffen. Ich finde, man sollte Imaginationen aber auch dazu verwenden, sich etwas Realistisches vorzustellen, um Gefühle wachzurufen, die ich wahrnehmen muss, wenn ich herausfinden will, was ich wirklich will.

All das – die Schulung der Gefühlswahrnehmung, die Schulung der Vorstellungskraft und das Herausfinden des einen Gefühls, also die Fähigkeit in jeder Situation relativ schnell zu wissen, was ich tun will und was nicht, also eigentlich die wichtigste Fähigkeit, die man im Leben braucht, ist meiner Erfahrung nach lernbar – und lehrbar. Stetiges Üben ist allerdings Voraussetzung, wie bei allem, was man neu lernt.

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