Das kleine 1×1 der Gefühle

„Der Anfang der Weisheit ist, die Dinge beim richtigen Namen zu nennen.“ (chinesisches Sprichwort)

Wenn Menschen von ihren Gefühlen sprechen, habe ich oft den Eindruck, dass sie dafür oft nicht den richtigen Namen wählen. Es ist keine Seltenheit, dass mir jemand von einer bestimmten Begebenheit erzählt, sich dabei eine tiefe Furche zwischen seinen Augenbrauen abzeichnet, die Stimme lauter wird, die Hand zu einer Faust geformt wird und er dann aber sagt, dass er da Angst gehabt hätte.

Der Körper spricht eine ganz andere Sprache: Er drückt Wut oder zumindest Ärger aus. Die geschilderte Variante wird eher von Frauen vorgebracht. Bei Männern ist es oft genau umgekehrt: Bei einer Begebenheit wird gesagt, sie habe einen ärgerlich gemacht, dabei verrät die Körpersprache aber Angst.

Die Menschen sind dabei oft felsenfest überzeugt, dass sie dem Gefühl den richtigen Namen beilegen. Oft hängt er mit einem über Jahrzehnte gewachsenen Bild von sich selbst zusammen. Aber sehen wir uns da richtig?

Wie schon erwähnt, scheint sich der Körper da weniger zu irren als unser Urteil. Darauf wies schon Goethe hin, indem er sagte, dass nicht die Sinne trügen, sondern das Urteil. Sinnlich kann man im seinem Körper z.B. wahrnehmen, dass man kalte Füße und Hände hat, dass einem kalter Schweiß ausbricht, dass jemand blass wird, dass es einem eng in der Brust wird, usw.

Nun gilt es, das Urteil oder die Interpretation dessen, was ich wahrnehme, vorerst zurückzuhalten und zunächst einmal genau wahrzunehmen bzw. die Sinne zu betätigen, in diesem Fall v.a. das Körpergefühl. Wo im Körper spüre ich was genau? Ich finde es in diesem Zusammenhang aufschlussreich, dass in dem Wort „Wahrnehmung“ das Wort „wahr“ enthalten ist. Die reine Sinnes-Wahr-Nehmung enthält noch nichts falsches. Das Falsche oder der Irrtum kommt erst mit der Interpretation.

Bei der richtigen Bezeichnung dessen, was ich nun wahrgenommen habe, können zahlreichen Redewendungen, die unsere Sprache bereithält, helfen. Man denke mal an Wendungen wie „der kriegt kalte Füße“, „ich hab so einen Hals“, „ich könnte Luftsprünge machen“, „er ist niedergeschlagen“, usw. Sie alle beschreiben etwas, was sich körperlich wahrnehmen lässt. Und gemeint ist damit immer ein bestimmtes Gefühl.

Das zu üben finde ich eine sehr gute Methode, um mehr Sicherheit in der Gefühlswahrnehmung und dann auch in der richtigen Benennung seiner Gefühle zu erlangen. Das wäre immerhin der Anfang der Weisheit…

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